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17. Juni 2025
17. Juni 2025
03:00

Filitosa

Filitosa – der Name klingt beinahe mystisch und weckt direkt Assoziationen von längst vergangenen Zeiten. Tatsächlich gehört Filitosa zu den bemerkenswertesten Fundorten vorgeschichtlicher Monumentalkunst im westlichen Mittelmeerraum. Die Stätte, die im Südwesten der Insel Korsika im Tal des Taravo-Flusses liegt, erzählt eine Jahrtausende alte Geschichte von Menschen, die hier gelebt, gearbeitet und ihre Kultur über Generationen hinweg weitergegeben haben. In diesem ausführlichen Blogartikel mit rund 1000 Wörtern beleuchten wir die Entstehung von Filitosa, seine historische Entwicklung, seine archäologischen Besonderheiten und geben abschließend einen Einblick in den modernen Tourismus vor Ort.

Wo liegt Filitosa?

Filitosa ist ein Hügel in der Gemeinde Sollacaro, 20 Kilometer nördlich von Propriano an der Westküste Korsikas. Er ragt knapp 200 Meter über das grüne Taravo-Tal. GPS-Punkt: 41.74501065141364, 8.870308084300772. Die Anfahrt führt über die D 57; ein Parkplatz und ein kleines Museum empfangen Besucher*innen heute [1].

Zufällige Entdeckung

1946 stieß der Landwirt Charles-Antoine Cesari beim Olivenernten auf große, behauene Steine. Er meldete den Fund dem französischen Archäologen Roger Grosjean. Ab 1954 leitete Grosjean systematische Ausgrabungen – fast 20 Jahre lang. Erst dadurch wurde Filitosa weltbekannt [2].

Eine Stätte mit drei Zeitebenen

Radiokarbon-Messungen und Keramikfunde zeigen, dass der Hügel rund 4 000 Jahre lang bewohnt war:
• Jungsteinzeit (ca. 3 300 – 2 500 v. Chr.): Bauern errichten kleine Menhire ohne Verzierung.
• Frühe Bronzezeit (ca. 1 600 – 1 200 v. Chr.): Bildhauer hauen Gesichter, Schwerter und Dolche in die Steine. So entstehen die berühmten Statue-Menhire.
• Späte Bronzezeit, so genannte Torréen-Kultur (ca. 1 200 – 600 v. Chr.): Die Bewohner bauen runde Festungstürme („torre“) aus Trockenmauerwerk. Einige der älteren Statuen werden als Baumaterial wiederverwendet oder umgestürzt [3].

Die Statue-Menhire – „Steinmenschen“ mit Waffen

Heute stehen oder liegen noch etwa 20 dieser Figuren in Filitosa. Sie bestehen aus lokalem Granit, sind zwischen 1 und 3 Metern hoch und bis zu 5 Tonnen schwer. Typische Merkmale:
• eingemeißelte Augen und Nase, ein kantiges Kinn;
• auf dem Oberkörper Gürtel, Dolch, manchmal Schild;
• auf einigen Statuen ein langer Schwertgriff, der bis zur Brust reicht.
Die größte Figur, „Filitosa V“, misst 2,75 Meter und zeigt Schwert, Dolch und Helmzier. Fachleute vermuten, dass die Statuen Anführer oder Schutzgeister darstellen. Die Waffen deuten auf kriegerische Zeiten hin, vielleicht auf den Wettstreit mit Seefahrern aus Sardinien [4].

Die „Torri“ – Runde Festungen aus der Bronzezeit

Zentral auf dem Gelände steht ein 8 Meter breiter Steinturm. Er erinnert an die Nuraghen auf Sardinien und ist der Namensgeber der „Torréen-Kultur“. Um den Turm herum entdeckten Forschende Häuserringe, Feuerstellen und Werkplätze für Metall. Das zeigt: Filitosa war nicht nur Kultstätte, sondern auch ein belebtes Dorf, wahrscheinlich Sitz eines Häuptlings [3].

Was bedeuten die Statuen wirklich?

Eine eindeutige Antwort gibt es nicht, aber drei Hauptthesen:
a) Ahnenkult: Die Figuren sollen verehrte Stammesführer darstellen und das Dorf schützen.
b) Abschreckung: Sie zeigen besiegte Feinde als Warnung für Angreifer.
c) Götterbild: Die Bewohner könnten eine bewaffnete Schutzgottheit verehrt haben.
Neuste 3D-Analysen der Universität Corte fanden rote Ockerreste auf zwei Statuen – vielleicht waren sie einst bemalt und wirkten noch eindrucksvoller [5].

UNESCO-Kandidatur

2002 meldete Frankreich fünf korsische Megalith-Stätten, darunter Filitosa, für die UNESCO-Welterbe-Liste an. In der Begründung heißt es: „Filitosa bietet das vollständigste Bild einer megalithischen Kunst, die im westlichen Mittelmeer einzigartig ist.“ Eine endgültige Entscheidung steht noch aus, doch die Nominierung brachte zusätzliche Forschungsgelder und bessere Besucherwege [6].

Filitosa besuchen – Tipps

• Öffnungszeiten: April–Oktober täglich 9–19 Uhr, im Winter verkürzt.
• Rundgang: 1,5 Kilometer auf geschotterten Pfaden; gutes Schuhwerk reicht.
• Museum: Modelle, Fundstücke und ein kurzer Film (deutsche Untertitel vorhanden).
• Beste Zeit: Abends kurz vor Sonnenuntergang leuchtet der Granit rot – perfekte Fotos.
• Eintritt 9 € (Stand 2023); Kinder unter 10 Jahren frei [1].

Schutz und Forschung heute

Anfassen oder Beklettern der Statuen ist untersagt, denn selbst Handcreme löst mit der Zeit den Granit an. Das französische Kulturministerium überwacht Temperatur, Luftfeuchte und Mikro-Erosion mit Sensoren. 2021 startete ein binationales Projekt mit Sardinien: Laser-Scanner zeichnen jede Figur millimetergenau auf, um Schäden künftig sofort zu erkennen [5].

Warum Filitosa fasziniert

In Filitosa stehen Vergangenheit und Gegenwart nah beieinander: Zikaden zirpen in uralten Olivenbäumen, während wenige Meter weiter ein steinerner Krieger über 3 000 Jahre in die Landschaft blickt. Wer hier entlanggeht, versteht schnell, warum Archäologen die Stätte „Freilicht-Geschichtsbuch“ nennen. Sie zeigt, wie früh Menschen auf Korsika Ackerbau, Metallhandwerk und Kunst verbanden – lange, bevor Homer seine Epen dichtete.

Quellen

[1] Office de tourisme du Sartenais-Valinco-Taravo: Besucherinformation Filitosa, aktualisiert 2023.
[2] Grosjean, R.: „Filitosa, capitale préhistorique de la Corse“, Paris 1966.
[3] Ministère de la Culture (Base Mérimée): Datensätze PA00099287 und PA00099288, zuletzt geprüft 2022.
[4] Chapman, J. & S.: „The statue-menhirs of Filitosa“, Antiquity 69/264, 1995, S. 602–617.
[5] Universität Korsika Pascal Paoli, Laboratoire LAMPEA: Projektbericht „3D-Scan Filitosa“, 2022.
[6] UNESCO World Heritage Centre: Tentative List Entry „Prehistoric Sites of Corsica“, Ref. 1577, 2002; Status­bericht 2023.