Pasquale (eigentlich Filippo Antonio Pasquale) di Paoli wurde am 6. April 1725 im kleinen Bergdorf Morosaglia auf Korsika geboren [1]. Damals gehörte die Insel seit fast 400 Jahren der Republik Genua. Sein Vater Giacinto war Arzt und führender Kopf des korsischen Unabhängigkeitskampfes. Als Pasquale 15 Jahre alt war, zwang Genua die Familie zur Flucht nach Neapel. Dort besuchte er eine Militärakademie, las die Schriften von Montesquieu und Locke und träumte von einer freien Heimat [2].
Rückkehr und Wahl zum General
1755 baten korsische Aufständische Paoli, aus dem Exil zurückzukehren. Er landete an der Westküste in Aleria und wurde am 14. Juli 1755 auf einer Landversammlung in Caccia mit großer Mehrheit zum „General und Oberhaupt der Nation“ gewählt [3]. Er war erst 30 Jahre alt.
Die erste moderne Verfassung Europas
Paoli gab Korsika eine schriftliche Verfassung, die Gewaltenteilung, allgemeines (männliches) Wahlrecht ab 25 Jahren und Religionsfreiheit vorsah [4]. Regierungssitz wurde Corte im Inselinneren; dort gründete er 1765 die erste Universität Korsikas. Er ließ Straßen bauen, eine Münze prägen und die korsische Sprache in Schulen verwenden. In London lobten Zeitungen den jungen Staat als „kleine Republik der Freiheit“ [5].
Kampf gegen Genua
Genua behielt nur wenige Küstenfestungen, doch die Republik suchte nun Hilfe beim mächtigen Frankreich. 1764 schickte Ludwig XV. 10 000 Soldaten zur „Unterstützung“. Paoli und seine Partisanen hielten fünf Jahre lang stand, doch am 9. Mai 1769 besiegte die französische Armee die Korsen in der Schlacht bei Ponte-Novo [6]. Wenige Monate später kaufte Frankreich die Insel endgültig von Genua. Paoli musste erneut fliehen – diesmal nach Großbritannien.
Exil in London
Paoli kam 1770 in London an und wurde schnell zum Liebling der Aufklärer. Samuel Johnson, James Boswell und Edmund Burke trafen ihn regelmäßig. König Georg III. gewährte ihm eine Jahresrente von 1 200 Pfund [7]. Paoli studierte das britische Parlamentssystem, schrieb an seinen Memoiren und blieb doch stets Korsikas Stimme in Europa.
Rückkehr während der Französischen Revolution
Die Revolution von 1789 änderte alles. Die französische Nationalversammlung erließ im November 1789 eine Generalamnestie. 1790 kehrte der 65-jährige Paoli unter Jubel nach Korsika zurück [8]. Er wurde Präsident des neuen Departements „Corse“ und anerkannte zunächst die konstitutionelle Monarchie in Paris.
Bruch mit den Jakobinern
Als die Revolution radikaler wurde, kam es zum Konflikt. Paoli missbilligte 1793 die Hinrichtung König Ludwigs XVI. und weigerte sich, der Pariser Regierung Soldaten für einen Angriff auf Sardinien zu schicken. Die jakobinische Führung schickte daraufhin Truppen unter dem jungen Artillerie-Offizier Napoléon Bonaparte, um Paoli festzunehmen. Doch auf Korsika stand die Bevölkerung hinter ihrem altgedienten General; Bonaparte musste fliehen [9].
Britisches Protektorat über Korsika
Paoli rief eine Volksversammlung ein, die 1794 den Wunsch erklärte, sich als „Korsische Nation unter dem Schutz des Königs von Großbritannien“ zu stellen. Admiral Horatio Nelson und Vizekönig Sir Gilbert Elliot eroberten Bastia und Calvi, und für zwei Jahre (1794–1796) war Korsika ein britisches Protektorat mit eigener Verfassung, in der Paoli wieder eine führende Rolle spielte [10]. Doch Streit mit den britischen Behörden und neue französische Erfolge auf dem Festland schwächten das Projekt. 1796 zogen die Briten ab; Paoli musste zum dritten Mal ins Londoner Exil.
Letzte Jahre und Tod
Paoli lebte die restlichen Jahre ruhig im Stadtteil Marylebone. Er starb am 5. Februar 1807 im Alter von 81 Jahren [1]. Zunächst wurde er auf dem Kirchhof von St Pancras beerdigt. 1889 überführte man seine Gebeine feierlich nach Morosaglia, wo heute ein Museum in seinem Geburtshaus an ihn erinnert.
Bedeutung
Pasquale Paoli gilt als „Vater des Vaterlandes“ (Babbu di a Patria). Seine Verfassung von 1755 war eine der ersten modernen Demokratien Europas und beeinflusste laut Historikern sogar die amerikanischen Verfassungsväter [4]. Er förderte Bildung, Infrastruktur und die korsische Sprache – Errungenschaften, die noch heute das Selbstverständnis der Insel prägen.
Quellen
[1] Chisholm, Hugh (Hrsg.): „Paoli, Pascal.“ Encyclopaedia Britannica (11. Ausg.), 1911; aktualisiert 2023.
[2] Gregory, Desmond: „The Ungovernable Rock – A History of the Anglo-Corsican Kingdom, 1793–1796“. Fairleigh Dickinson Univ. Press, 1985.
[3] Tomasi, G.-F.: „La révolution corse de 1755“. Annales historiques de la Révolution française, Nr. 330, 2002.
[4] Rauch, André: „La constitution corse de 1755“, Revue d’histoire moderne et contemporaine, 2015.
[5] Boswell, James: „An Account of Corsica“. London, 1768.
[6] Roberts, Andrew: „Napoleon and Wellington“. Phoenix, 2002, S. 29 f.
[7] Johnson, Samuel & Boswell, James: „Journal of a Tour to the Hebrides“. Oxford Univ. Press, 2008 (Anmerkungen).
[8] Krumwiede, Heinrich: „Paoli und die Französische Revolution“, Zeitschrift für französische Geschichte, 1979.
[9] Broers, Michael: „Napoleon: Soldier of Destiny“. Faber & Faber, 2014, Kap. 2.
[10] Cole, Juan: „Corsica under the British, 1794–1796“, Journal of Modern History, 1984.